Interview mit Nicole Fetting: „Wir wollen ein schlagkräftiges und hungriges Team formen.“
Während in der Volleyball Bundesliga derzeit um den Meistertitel gekämpft wird, steckt Nicole Fetting, die Geschäftsführerin der VC Wiesbaden Spielbetriebs GmbH, bereits mitten in den Vorbereitungen für die kommende Spielzeit 2016/2017. Aktuell hat sie vor allem die Zusammenstellung des künftigen VCW-Mannschaftskaders im Blick. Aber auch auf weiteren Feldern werden die Weichen für die Zukunft von Wiesbadens Bundesliga-Volleyballerinnen gestellt. Im Interview nimmt Nicole Fetting Stellung zu den aktuellen Entwicklungen.
Redaktion: Nicole, die Öffentlichkeit hat den Eindruck, dass beim VCW Zu- und Abgänge in der Mannschaft früher vermeldet werden, als in der vergangenen Sommerpause.
Fetting: Das stimmt. Wir sind früher dran als im letzten Jahr. Dies war uns auch sehr wichtig, um so bald wie möglich Planungssicherheit zu haben. Wenn alles nach Plan läuft, werden wir wahrscheinlich bis Ende Mai die Mannschaft nahezu komplett zusammengestellt haben.
Redaktion: Der VC Wiesbaden hat in dieser Woche gleich drei Abgänge von Spielerinnen vermeldet. Darunter verdiente Athletinnen wie Jennifer Pettke und Kaisa Alanko. Warum konnte man diese Spielerinnen nicht halten?
Fetting: Es ist im Profisport völlig normal, dass Athleten nach einer Saison Vereine wechseln. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Ein Beispiel: Um Jenni haben wir uns sehr bemüht, aber sie hat sich dafür entschieden, eine neue Herausforderung zu suchen. Das akzeptieren wir natürlich, auch wenn wir uns das anders gewünscht hätten. Bei Liz und Celin war für uns klar, dass wir die Zusammenarbeit nicht fortsetzen wollen. So ist das Geschäft. Wir waren jedoch auf all das vorbereitet und haben eine Idee, wie wir den Kader der kommenden Saison aufstellen wollen.
Redaktion: Sieben Abgänge hat der VCW nun verzeichnet, im letzten Jahr waren es fünf. Damals sprach man von einem „Umbruch“, wie würdest Du die jetzige Situation bezeichnen?
Fetting: Natürlich ist es wieder ein Umbruch. Aber man muss auch den Zusammenhang sehen. Unser ehemaliger Trainer hat uns sehr kurzfristig Mitte Mai letzten Jahres verkündet, dass er seinen Vertrag bei uns nicht erfüllen wird. Da waren wir eigentlich mitten in der Kaderplanung, die wir dann zunächst unterbrechen mussten. Wir haben weiter gemacht, als wir Dirk Groß verpflichten konnten und er seine Vorstellungen geäußert hatte. Damals waren wir spät dran. Nun planen wir ganz anders und wollen eine entwicklungsfähige Mannschaft zusammenstellen, die – so unser Wunsch – im Kern länger als ein Jahr zusammen bleibt.
Redaktion: Was bedeutet das konkret?
Fetting: Der VC Wiesbaden verfügt mit einem erfahrenen Dirk Groß an der Spitze über ein kompetentes Trainer-Team, das insbesondere die jungen Spielerinnen weiter entwickeln kann und möchte. Doch das benötigt bekanntlich Zeit und gelingt natürlich umso besser, wenn die Sportlerinnen länger als ein Jahr bei uns bleiben. Unsere Philosophie zum gegenwärtigen Zeitpunkt lautet, über das Weiterentwickeln junger Talente mittel- bis langfristig zu sportlichem Erfolg zu kommen. Wenn wir die Volleyball Bundesliga mal mit der Fußball-Bundesliga vergleichen, dann ist der Dresdner SC so etwas wie das Bayern München der Liga. In diesem Vergleich sind wir Mainz 05. Ein Verein, der mit solider Arbeit und einem klaren Konzept den sportlichen Erfolg langfristig im Blick hat.
Redaktion: Wie wird die Mannschaft der kommenden Saison denn aussehen?
Fetting: Es wird ein schlagkräftiges und hungriges Team aus jungen Talenten und erfahrenen Spielerinnen sein. Mit Tanja Großer und Annalena Mach konnten wir zwei talentierte junge Spielerinnen halten. Mit unseren beiden Amerikanerinnen Alyssa Longo und Delainey Aigner-Swesey haben wir unsere Zusammenarbeit um ein zweites Jahr verlängern können. Auf der Zuspiel-Position haben wir mit Irina Kemmsies und Lia-Tabea Mertens zwei deutsche Talente gleich für zwei Jahre an uns binden können. Vertragslaufzeiten, die länger als ein Jahr gehen, sind im Volleyball mittlerweile eher ungewöhnlich. Die Zweijahresverträge sprechen zum einen für die Perspektive, die der VCW den Spielerinnen bietet, zum anderen aber auch für das Vertrauen, das wir in die Athletinnen haben. Mit Karolína Bednářová haben wir zudem eine erfahrene Vollblut-Volleyballerin für uns gewonnen, die das Team mit führen soll. Wir suchen Spielerinnen, die auch mit ihrer Persönlichkeit zum VCW passen. Da haben wir klare Vorstellungen. Nicht zuletzt gilt es auch, eine Mannschaft zu formen, die für uns auch wirtschaftlich darstellbar ist. Das ist unser Plan, das ist unser Weg.
Redaktion: Der VCW stellt zur kommenden Saison das jüngste Zuspiel-Duo seiner Bundesligahistorie. Ist das auf einer solchen Schlüsselposition nicht sehr riskant?
Fetting: Als Kaisa Alanko zu uns kam, war sie 19 Jahre alt. Drei Jahre später wird ihr Abgang als schmerzlicher Verlust wahrgenommen. Das zeigt doch, dass wir in der Vergangenheit beim Setzen auf junge Zuspielerinnen nicht so viel verkehrt gemacht haben. Abgesehen davon haben sowohl Irina, als auch Lia-Tabea schon in der Ersten Bundesliga Erfahrungen gesammelt und ihre Volleyball-Ausbildung auf Bundesstützpunkten absolviert. Natürlich werden beide Spielerinnen bei uns zunächst ihre Zeit brauchen, aber von ihrem Potenzial sind wir überzeugt.
Redaktion: Welche Rolle wird Karolína Bednářová im Team übernehmen, die ja nun ein Jahr aus dem Profisport raus war?
Fetting: Die abgelaufene Saison hat gezeigt, dass uns auf und neben dem Feld eine erfahrene Spielerin gefehlt hat, die voran geht und in wichtigen Situationen auch Verantwortung übernimmt. Es fehlte eine Persönlichkeit, an der sich die jungen Sportlerinnen orientieren konnten. Wir versprechen uns von Karolína, dass sie diese Rolle annimmt und ausfüllt. Sie kommt nun auch mit der Erfahrung zu uns, ein Jahr lang bei einem Männer-Bundesligisten gearbeitet zu haben. Und das Volleyballspielen hat sie in den vergangenen Monaten ganz sicher nicht verlernt.
Redaktion: Wie steht es denn im Moment in finanzieller Hinsicht um den VCW?
Fetting: Wir machen unsere Hausaufgaben natürlich auch im wirtschaftlichen Bereich und stehen stabil da. Unter diesen Voraussetzungen haben wir die Lizensierungsunterlagen eingereicht. Die vielen Gespräche mit unseren bisherigen Partnern verlaufen bislang sehr positiv. Der VCW wird stets als professionelle und verlässliche Adresse in der Volleyball Bundesliga wahrgenommen. Dass beispielsweise unser treuer Hauptsponsor, die A.B.S. Global Factoring AG, bereits seit vielen Jahren an unserer Seite steht, ist ein Beleg für das große Vertrauen, das die Unternehmen in uns haben. Wir müssen aber auch in Zukunft jeden Tag weiter hart arbeiten, um neue Partner für unseren VC Wiesbaden zu gewinnen.
Redaktion: Sportlich hat sich die Mannschaft mit Erreichen von Platz 5 für den Europapokal qualifiziert. Wird sie auch antreten?
Fetting: Das würden wir uns für unser Team wünschen. Die Erfahrung aus der vergangenen Saison hat gezeigt, dass sich unsere Spielerinnen durch die Teilnahme am Europapokal gut weiter entwickeln können. Und auch für die Zuschauer und Partner waren die Auftritte auf internationalem Parkett stets ein Highlight in dieser Spielzeit. Das alles haben wir der großartigen Unterstützung der ESWE Versorgungs AG zu verdanken, ohne die eine Teilnahme wirtschaftlich nicht möglich gewesen wäre. Gleiches gilt für die kommende Saison: Wenn sich wieder ein Partner findet, der mit uns die Reise durch Europa antritt, werden wir das Ticket gerne lösen. Hier drängt allerdings die Zeit, denn bereits zum 9. Mai müssen wir gemeldet haben oder absagen.
Redaktion: Die Saison ist für die Mannschaft offiziell beendet. Wie geht es für das Team nun weiter?
Fetting: Die Spielerinnen haben jetzt erst einmal frei. Sie haben von unserem Trainer-Team jedoch individuelle Pläne mitbekommen, nach denen sie sich fit zu halten haben. Trainingsauftakt wird dann am 1. August sein. Bis zum Saisonbeginn Mitte Oktober wird die Mannschaft dann wieder einige Vorbereitungsturniere und -spiele absolvieren. Und dann können wir auch schon bald wieder jene Sportart live erleben, die uns allen so am Herzen liegt.
Redaktion: Vielen Dank, Nicole, für das interessante Gespräch.