Julia Osterloh: Mein Weg zur Bundesliga-Spielerin
Als am 12. April 2015 in Dresden der letzte Ball im letzten Playoff-Halbfinale ausgespielt war – der VCW unterlag dem späteren Deutschen Meister Dresdner SC glatt mit 0:3 –, ging eine Ära zu Ende: Julia Osterloh beendete eine erfolgreiche Profi-Karriere. Die Erinnerungen an ihren Werdegang hat die Mittelblockerin nun exklusiv für das VCW-Saisonmagazin zu Papier gebracht. Hier die ausführliche Version von Julias Bericht:
Der Anfang von allem
Hallo liebe VCW-Familie,
ihr werdet mich noch aus den Erstliga-Teams des VCW der vergangenen Saisons kennen. Der eine oder andere fragt sich vielleicht, wie man es als Spielerin überhaupt schafft in einem hochklassigen Team spielen zu können. Etwa über die Kaderschmiede des VCO oder als Nachrücker aus der zweiten Mannschaft? Meine Geschichte war so:
Um meinen Bewegungsdrang zu stillen beschäftigten mich meine Eltern schon immer mit Sport: Skifahren, Turnen, Tennis, Basketball…da war es klar, dass ich auch Interesse zeigte, als in der Schule gefragt wurde, ob nicht jemand Lust hätte mal ins Training eines neu gegründeten Volleyball-Vereins zu gehen. Gemeinsam mit Mitschülerinnen begann ich also beim USC Königstädten den neuen Sport zu erlernen. Besonders für Anfänger kann Volleyball allerdings sehr deprimierend sein. Im normalen Spiel ist kein Festhalten und kurzes Nachdenken über die folgende Aktion möglich, weswegen es beim Erlernen notwendigerweise modifiziert werden muss. Gerade Kinder wollen aber gleich wie die Profis pritschen, baggern und angreifen. Geduld ist hier die einzige Lösung. Und natürlich viel Üben. Nach und nach wurden wir sicherer im Umgang mit dem Ball und die ersten Turniere mit dem Verein wurden gespielt.
Bei diesen Turnieren schauten auch die Trainer der Auswahlkader der Bundesländer zu und ich wurde zu einem Lehrgang des Hessenkaders eingeladen. Am Anfang war ich gar nicht so begeistert darüber. Ich wollte mich zwar schon in der jeweiligen Sportart verbessern, aber sonst war für mich Sport einfach nur mit Bewegung und Zeit mit Freunden verknüpft. Ich machte mir noch keine Gedanken darüber, dass man einen Sport auch leistungsmäßig ausüben kann. Zur ersten Kadermaßnahme in der Frankfurter Sportschule ließ ich mich also nur mit dem Kompromiss überreden, dass ich zwischendurch zurück nach Rüsselsheim kann, um dort an dem alljährlichen Großevent des Turnvereins teilzunehmen. (An dieser Stelle geht ein ganz großes Dankeschön an meine Eltern, die mich in den unterschiedlichsten Situationen von A nach B und wieder zurück fuhren. Ohne ihre Unterstützung wäre meine sportliche Karriere nicht möglich, oder zumindest verdammt viel anstrengender gewesen.)
Dennoch war ich am Ende des Wochenendes von dem Lehrgang überzeugt und so begann meine Zeit im Hessenkader, die ich glücklicherweise von Anfang bis Ende komplett mitmachen durfte. Es war die Zeit der Lehrgänge und Turniere mit jungen, sportbegeisterten, manchmal auch ziemlich pubertierenden, aber immer sehr liebevollen und disziplinierten Mädels um mich herum. Wir haben kuschelig zusammen in Jugendherbergen um ein Klavier gesessen, gesungen und heiße Schokolade getrunken. Wir haben bei Lehrgängen das „große System“ des Volleyballspiels gelernt, bei dem wir uns positionsspezifisch auf dem Feld organisieren sollten – und standen dabei oft am Ende mit drei Leuten auf der gleichen Position. Wir haben die Abwehrrolle zusammen erlernt und uns dabei sämtliche langärmlichen Trainingsklamotten löchrig gerutscht. Wir haben uns bei Turnieren asiatische Zeichen als Teamsymbol auf die Oberschenkel gemalt in der Hoffnung, dass das auch irgendetwas sinnvolles bedeutete. Wir haben auch zusammen auf unzähligen Weichbodenmatten in den verschiedensten Hallen dieses Landes übernachtet. Naja, also meistens haben wir nicht viel geschlafen, sondern Mattenrutsch-Wettbewerbe veranstaltet, oder ein Trampolin aus dem Geräteraum geholt, um auch einmal in unserem Leben einen Dunking zu schaffen.
Bei diesen Maßnahmen und Turnieren lernte ich schnell viele Volleyballer und Volleyballerinnen kennen, die teilweise auch über all die Jahre hinweg gute Freunde geblieben sind. Aber auch ein zufälliges Treffen mit jenen, zu denen man weniger Kontakt hat, ist immer eine sehr freudige Angelegenheit. Wir sind schließlich alle ein Teil der kleinen parallelen Volleyballer-Welt, in die wir zu jeder Gelegenheit gerne wieder kurz eintreten.
Die Zeit bei der Jugend-Nationalmannschaft
Bei den Turnieren der Kaderteams holt sich der Jugend-Bundestrainer seinen Eindruck von den Spielerinnen des entsprechenden Jahrgangs. So wurde ich bei einem Bundespokal gesichtet und zu einem Lehrgang der Jugend-Nationalmannschaft eingeladen. Dort bemerkte ich, dass andere Spielerinnen schon bis zu 12 Stunden in der Woche Volleyball trainierten, wohingegen ich neben den ganzen anderen Aktivitäten nur drei Stunden die Woche einen Volleyball in der Hand hatte. Da mein Fokus auch noch nicht beim Volleyball als Leistungssport angekommen war, war meine Zeit im Nationalkader recht beschränkt, unter anderem auch, weil ich Maßnahmen wegen Auslandsaufenthalten absagte und auch dem Ruf des Berliner Volleyball-Internats nicht folgte. Aber trotzdem fand ich den Weg ins Oberhaus des deutschen Volleyballs. Der Bundestrainer erzählte mir von einem Zweitliga-Team in Wiesbaden. Nach reichlich Überlegung und Überzeugungsarbeit, unter anderem durch eine ebenfalls nach Wiesbaden gewechselte Trainerin, verließ ich 2002 dann den USC Königstädten, wo ich mittlerweile mit Doppelspielrecht in der Bezirksoberliga und der Landesliga spielte. Der ursprüngliche Gedanke war der, dass ich bei besagter Trainerin in der zweiten Mannschaft spielen und der Trainer der ersten Mannschaft sich einen ersten Eindruck von mir machen sollte.
Es kam dann anders, denn schon nach den ersten paar Trainingseinheiten wurde ich in die erste Mannschaft berufen. Der Schritt von der Landesliga direkt in die zweite Bundesliga war groß. Die Trainingseinheiten waren viel härter, denn hier spielte keine Jugendmannschaft mehr zusammen. Der Trainer, Luis Ferradas, und die streckenweise sehr erfahrenen Spielerinnen forderten und förderten junge Spielerinnen wie Anne Friedrich, Andrea Wesche oder mich. Man war aber ein gewisses Niveau gewöhnt und wollte entsprechende Bemühungen unsererseits erkennen. Neben dem technischen und taktischen Lernprozess musste ich auch verinnerlichen, die Flut an (konstruktiver) Kritik aufzunehmen und umzusetzen sowie in gewissen Situationen einfach die Klappe zu halten…zumindest wenn man den Ball nicht im Gesicht haben oder diesem durch die ganze Halle hinterherjagen wollte. Zu der ungewohnt hohen Belastung kam auch noch der organisatorische Aufwand, denn ohne Führerschein können 25 km pro Strecke ganz schön weit sein. Wenn man allerdings besser werden möchte muss man sich da durchbeißen.
Als Entschädigung konnte ich bald Fortschritte an mir erkennen und durfte mich über meine ersten Einsätze in der zweiten Bundesliga freuen. Vor etwa 50 Zuschauern war das schon sehr aufregend für mich. An dieser Stelle geht ein großes Dankeschön an meinen langjährigen Trainer Luis Ferradas, denn ohne ihn wäre ich niemals dort hingekommen, wo ich am Ende war. Er hat immer an mich geglaubt und mir geholfen spielerisch und mental eine Bundesligaspielerin zu werden.
Der Aufstieg in die 1. Liga
Im zweiten Jahr beim VC Wiesbaden war meine Rolle schon sehr viel stabiler und die Prozesse auf und neben dem Feld hatten sich eingespielt. Mit Karla Borger, Katharina Kutschbach und Hanna Günther stießen drei weitere bekannte Gesichter aus Hessenkader-Zeiten zum Team. Mit ihnen übernachtete ich auch im „Trainingslager“ in den Sommerferien wieder auf Weichbodenmatten in der Halle. Unsere Eltern mussten uns somit zwar nicht dauernd fahren, freuten sich dann aber weniger über unsere Anrufe mitten in der Nacht, weil wir die plötzlich angehende Belüftungsanlage für eine Person mit Kreissäge vor der Tür hielten. In der Liga lief es dafür fantastisch und wir schafften unerwartet früh den Aufstieg in die Erste Volleyball Bundesliga. Und ich durfte weiter dabei bleiben.
Die Trainingseinheiten wurden mehr und die freien Wochenenden und Feiertage weniger. Dafür aber auch die Zuschauerränge voller und die Namen im eignen und gegnerischen Team bekannter. So hatte ich die große Ehre gleich in meiner ersten Erstligasaison mit Jelisaweta Tischtschenko, einer internationalen Volleyballgröße, in einem Team spielen zu dürfen. Bei ihr – ebenfalls Mittelblockerin – konnte ich mir viel abschauen. Aber auch die großen deutschen Vorbilder, wie Tanja Hart, standen auf einmal auf der anderen und später auch der gleichen Netzseite. Bis zu dieser Zeit waren die Personen hinter diesen Namen bewundernswerte, aber gefühlt sehr weit entfernte Volleyballspielerinnen. Wenn sie plötzlich leibhaftig vor einem stehen ist das schon aufregend für eine junge Spielerin.
Studium vs. Leistungssport
Die Bundesliga von allen Seiten zu sehen, also auch als Aufsteigerteam von ganz unten her, ist sehr aufschlussreich. Im ersten Jahr kämpft man um jeden einzelnen Punkt, um mit den hart arbeitenden, aber nicht so bundesligaerfahrenen Spielerinnen nicht gleich wieder abzusteigen. Mit jeder Aktion und mit jedem Spiel muss man sich seinen Respekt bei den Gegnern und auch den potenziellen Sponsoren erst verdienen. Bei anfangs entsprechend knapper Kasse waren wir froh um jedes Stück Ausrüstung, was uns gestellt wurde. Aber jedes Jahr wurde unsere Platzierung ein bisschen besser und legte die Basis für die heutige Stellung des Vereins in der Bundesliga. Anfangs hatten wir „nur“ eine Trainingseinheit am Tag, unter anderem deswegen, weil wir keine Option auf eine weiter Hallenzeit bekamen. Das bedeutete zwar manchmal vier bis fünf Stunden Training am Stück, da das Krafttraining in der gleichen Einheit wie das Balltraining erfolgen musste. Da aber auch die Liga die Spiele damals nur auf die Wochentage Freitag bis Sonntag legte, ergab sich für mich die Möglichkeit an einer Präsenzuniversität ein Studium als Sportwissenschaftlerin zu beginnen.
Die Kombination aus Studium und Erstliga-Volleyball erfordert viel Disziplin, Kraft, Nerven, Organisationstalent und die Fähigkeitm auch manchmal auf Schlaf verzichten zu können. Denn, man muss es leider so erwähnen, in Deutschland ist das Interesse für die Tätigkeit im jeweilig anderen Bereich sehr gering. Das heißt nicht, dass nicht von beiden Seiten mal nachgefragt wird, wie es denn auf der entsprechend anderen Seite gerade läuft. Aber es wird trotzdem auf beiden Seiten 100 prozentige Anwesenheit und Anstrengung erwartet. Das bedeutete in meinem Fall auf der einen Seite Klausuren nachzuschreiben und Präsentationen zu verschieben. Einmal mehr in einer Präsenzveranstaltung zu fehlen, um an einer wichtigen Maßnahme mit dem Team teilzunehmen, wurde nicht akzeptiert. Auf der anderen Seite musste die Müdigkeit im Training, welche ja auch Verletzungsgefahren birgt, verdrängt, oder eben die Ersatzbank gewärmt werden. Man kann natürlich behaupten, dass Ausnahmen auf beiden Seiten vielleicht als unfair gelten. Aber 100 Prozent auf beiden Seiten zu geben, ist einfach schwer möglich – und lässt auch die kleinste Unterstützung schon sehr groß wirken. Alternativen sind natürlich das Strecken der Semesteranzahl weit über die Regelstudienzeit hinaus oder das Spielen in einer niedrigeren Klasse.
Am Ende meines Studiums war die Kombination mit der Ersten Bundesliga kaum noch vereinbar. Zwei Trainingseinheiten am Tag und die dann regelmäßig eingeführten Spiele unter der Woche korrelieren nicht mit einem Studium an einer Präsenzuniversität. Ich propagiere also allgemein (nicht nur für Volleyballer) zumindest eine organisatorische Unterstützung der Athleten sowohl von Vereinsseite, als auch von Seite der Ausbildungsstätte aus. Die sportliche Laufbahn ist schließlich zeitlich sehr begrenzt und in den meisten Fällen wenig lukrativ. Das macht ein Standbein nach der sportlichen Karriere zwingend nötig.
Als Leistungssportler muss man leider auch auf einige Dinge verzichten. So musste ich oft absagen, wenn meine Freunde nach der Uni ihr „Studentenleben“ genossen oder am Wochenende das Tanzbein schwangen. Bei mir stand stattdessen Training, Spiele, Auswärtsfahrten und Regeneration an. Um den Anschluss nicht ganz zu verpassen quälte ich mich manchmal regelrecht nach dem Training noch raus und ignorierte die schweren Beine. Die freien Tage waren leider auch selten, Feiertage werden sowieso ignoriert und der Urlaub beschränkte sich auf ein paar Wochen nach der Saison – in denen zu Studienzeiten meistens gerade das Semester lief.
Internationale Erfahrung
Für den Verein, die Mannschaft und mich persönlich ging die Entwicklung weiter bergauf. Durch den nun professionelleren Ruf des Teams wurde der VCW auch interessanter für ausländische Spielerinnen. So wurde die Trainingssprache im Laufe der Zeit auch internationaler. Das heißt neben Deutsch auch Englisch und Spanisch und später Denglinesisch – eine Mischung aus Deutsch, Englisch und Chinesisch. Ich durfte im Laufe der Jahre wunderbare Mädels kennenlernen, musste mich aber auch oft recht schnell wieder von ihnen verabschieden, denn mit einer internationaleren Mannschaft sinkt leider auch die Konstanz der Teamzusammensetzung.
Für mich gab es neben dem VCW (und dem USC Königstädten) nur zwei weitere Stationen auf meinem Volleyball-Weg. Auslandsoptionen standen zwar auch zweimal an, kamen aber aus verschiedenen Gründen, wie zum Beispiel dem Studium, doch nie zustande. Meine internationale Erfahrung holte ich mir mit der Universitätsmannschaft, mit der ich als Spielerin und Co-Trainerin insgesamt vier Mal an den Europäischen Hochschulmeisterschaften teilnehmen durfte. Bei diesen Turnieren lief ich auch immer wieder früheren und zukünftigen VCW-lern über den Weg.
In der Saison 2009/10 landete ich beim TV Wetter in der zweiten Liga. Zu dieser Zeit beendete ich mein Studium in Mainz und war aus diesem Grund noch an die Gegend gebunden. Deswegen trainierte ich nur zweimal die Woche in Wetter (danke an Familie Kowalewski, dass ihr mich so familiär aufgenommen habt) und absolvierte eine dritte Trainingseinheit im Zweitliga-Herrenteam der TG Rüsselsheim. In meinem Team in Wetter spielte auch Leonie Schwertmann, die ihre Bundesligakarriere aktuell beim USC Münster vorantreibt. Nach ihrer eigenen Aussage darf ich auch ein paar Lorbeeren ernten für ihre Entscheidung, die Profi-Sport-Richtung einzuschlagen. Es ist wunderbar, ihre Entwicklung zu beobachten und zu sehen, was sie in ihren jungen Jahren schon alles erreicht hat. In der Saison in Wetter durfte ich neben meinem vorwiegenden Einsatz als Mittelblockerin auch einige Spiele auf der Außen- und Diagonalposition spielen.
Diese Perspektivenveränderung in Kombination mit einem erfahrenen und guten Trainerteam sowie dem Training mit den Herren erweiterte mein Spielverständnis und erhielt mir die Möglichkeit, wieder in die erste Bundesliga einzusteigen. In der nächsten Saison folgte ich dann dem Angebot des SV Sinsheim und spielte wieder in der ersten Liga. Doch einige Turbulenzen rund um das Team und ein versprochener Job als Sportwissenschaftlerin, aus dem nie etwas wurde, machten die Saison insgesamt nicht so einfach für mich.
Der Traum vom Pokalfinale
Als dann der Umbruch beim VC Wiesbaden bekannt wurde, kehrte ich zu meiner alten Wirkungsstätte zurück, allerdings mit einer neuen Mannschaft, einem neuen Trainerteam, einer neuen Besetzung in der Geschäftsstelle und für mich auch außerhalb der Halle einer neuen Herausforderung mit dem Beginn einer Dissertation. Es war also ein Neuanfang für alle Seiten. Dieser wurde leider von allseits bekannten Problemen begleitet, welche jedoch glücklicherweise überstanden wurden. Ich kannte meinen neuen Trainer Andi Vollmer nicht und er mich auch nicht. Mit seiner dynamischen Spielweise konnte ich mich auch wieder weiter entwickeln und er gab mir die Chance mich zu beweisen. Ein Highlight aus dieser Zeit war natürlich endlich die Teilnahme am Pokalfinale. Ein Traum für jeden deutschen Volleyballspieler. So eine Kulisse von 10.000 Zuschauern bekommt man in unserem Sport selten zu Gesicht. Dort das Vertrauen zu bekommen von Anfang an auf dem Feld stehen zu dürfen, und dann auch noch den ersten Punkt des Spiels zu erzielen, so etwas bleibt im Kopf. Auch wenn wir den Ausgang des Spiels alle gerne anders gesehen hätten.
Die letzten vier Jahre beim VCW waren nochmal eine tolle Erfahrung und Weiterentwicklung für mich persönlich und auch den Verein. Dazu gehörte dann am Ende auch noch eine Saison in der neuen Halle. Allerdings war der Trainings- und Spielaufwand, auch durch neue Ambitionen der VBL, extrem gestiegen und machte ein Leben außerhalb des Sports nicht so einfach.
Insgesamt bin ich sehr dankbar dafür, dass ich das Leben als Leistungssportlerin mitmachen durfte. Ich habe sehr hart gearbeitet, viel Herzblut, Zeit und Disziplin in den Sport gesteckt und auf viele Sachen verzichtet. Ich habe Schmerzen unterdrückt und meinen Körper und mein Kopf gezwungen zu funktionieren, auch wenn sie nicht wollten. Aber ich hatte auch das große Glück, die Welt des Leistungssports kennen zu lernen. Das beinhaltet die wunderbaren Menschen aus aller Welt, die meinen Weg neben und vor allem auf dem Feld kreuzten. Wenn man auf hohem Niveau spielt verbringt man mit dem Team mehr Zeit, als mit der eigenen Familie. Man lernt sich in Extremsituationen kennen und verstehen und erhält somit einen viel intensiveren Zugang zu den Teammitgliedern, als zu Menschen, die man in „normalen“ Situationen kennen lernt. Man ist dauernd von einer Gruppe umgeben, geht zusammen durch Höhen und Tiefen und macht zusammen auch mal den größten Blödsinn, über den man sich auch Jahre später noch amüsiert.
Schluss mit Profi-Volleyball
Man lernt, was Disziplin, Zeit- und Stressmanagement bedeuten und was es bedeutet in schwierigen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren und Lösungen zu finden. Außerdem durfte ich es erleben, wie sich ein nahezu perfektes Spiel anfühlt; wenn man in einer Flow-Situation ist und alles wie von selbst läuft. Das Team, das Spiel, die Zuschauer: alles bildet eine Einheit und endet in ausgelassener, purer, gemeinsamer Freude, die einem schon mal rauschartig vorkommen kann. Solche Momente erlebt man selten außerhalb des Sports.
Nun ist für mich aber Schluss mit dem Leistungsvolleyball. Viele fragten mich seitdem: „Du bist doch noch unter 30 und auch nicht verletzt. Wieso hörst du schon auf?“ Die Antwort ist: genau deswegen. Ich möchte nicht verletzt aufhören und auch noch „jung“ in das Leben außerhalb des Leistungssports umsteigen. Durch meine Verletzungsfreiheit und mein abgeschlossenes Studium habe ich die Möglichkeit, selbst über den Absprung entscheiden zu können. Diese Entscheidung ist lange, aber stetig in mir gereift, musste früher oder später sowieso fallen und fühlt sich jetzt richtig an. Auch wenn es wieder ein Neuanfang ist und wohl auch etwas Zeit braucht in der „normalen“ Welt anzukommen, möchte ich jetzt diesen Wechsel vornehmen. Der Leistungssport hat mich bestens darauf vorbereitet, wie ich mit kommenden Drucksituationen, eventuellen Rückschlägen und schwierigen Situation umgehen kann, wie man hart arbeitet, schnell lernt und mit den Menschen um einen herum kooperiert.
Also brauche ich keine Angst davor zu haben, sondern freue mich auf die neue Herausforderung. Volleyball kann dabei gerne ein Teil des neuen Lebens sein und mit einem Team aus der zweiten Liga weiter ausklingen. Dabei steht nun allerdings der Job über dem Sport und der Spaß im Mittelpunkt. Doch wenn ich einem früheren Weggefährten begegne, freue ich mich jederzeit wieder kurz in die Welt der Volleyballer eintauchen zu können…!